Abschiebung im Dublin-Verfahren: BRAK-Stellungnahmen zu polizeilichem Betreten von Gemeinschaftsunterkunft
In einem aktuellen Verfassungsbeschwerdeverfahren steht auf dem Prüfstand, ob die Polizei bei Abschiebungen im Dublin-Verfahren ein Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft ohne vorherige richterliche Anordnung betreten darf, um den Bewohner zum Zwecke seiner Abschiebung zu ergreifen. Die BRAK hat sich dazu mit divergierenden Stellungnahmen zweier Fachausschüsse geäußert.
Mit divergierenden Stellungnahmen zweier Fachausschüsse hat die BRAK sich zu einem aktuellen Verfassungsbeschwerdeverfahren geäußert, das die Rechtmäßigkeit der Durchführung einer Abschiebung betrifft. Im Ausgangsverfahren hatte ein Polizeibeamter das Zimmer des Beschwerdeführers in der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Ellwangen – eine Gemeinschaftsunterkunft – betreten, um dessen dortige Anwesenheit zu überprüfen und ihn zum Zweck der Abschiebung zu ergreifen.
Der Beschwerdeführer hatte sich gegen seine Abschiebung mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gewandt. Gegen deren Abweisung blieben seine Rechtsmittel zum Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshof sowie zum Bundesverwaltungsgericht ohne Erfolg. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht er u.a. geltend, das Eintreten in das gemeinsam mit einer anderen Person bewohnte Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft zum Zwecke seiner Ergreifung verletze sein Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 I GG.
Auf Bitte des Bundesverfassungsgerichts hat die BRAK zu dem Verfahren Stellung genommen. Die BRAK-Ausschüsse Verfassungsrecht und Migrationsrecht gelangten dabei zu unterschiedlichen Einschätzungen.
Der Ausschuss Verfassungsrecht geht davon aus, dass es sich bei dem mit anderen Personen bewohnten Zimmer um eine Wohnung im Sinne von Art. 13 I GG, jedoch bei der Maßnahme um keine Durchsuchung im Sinne von Art. 13 II GG handelt und schließlich die Anforderungen des Art. 13 VII GG gewahrt sind, unter denen Eingriffe in das Wohnungsgrundrecht ausnahmsweise zulässig sind. Er hält daher die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
Der Ausschuss Migrationsrecht hält hingegen die Verfassungsbeschwerde für begründet. Aus seiner Sicht handelt es sich beim Eindringen in eine Wohnung zum Zwecke der Ergreifung einer Person um eine Durchsuchung, so dass eine richterliche Anordnung erforderlich und zudem die Maßnahme nur bei einer dringenden Gefahr zum Schutz für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erlaubt gewesen wäre. Zudem weist der Ausschuss Migrationsrecht darauf hin, dass mit dem Eingriff ein gravierendes Rechtsschutzdefizit verbunden sei: Es sei nicht erkennbar, weshalb die im Rahmen des Dublin-Verfahrens ohnehin länger vorzubereitende Abschiebung so dringlich sei, dass die Einholung eines richterlichen Beschlusses aufgrund des Dringlichkeitsarguments nicht möglich gewesen wäre.
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Hinweis:
Gutachten auf Anfrage von an der Gesetzgebung beteiligten Behörde oder von Bundesgerichten zu erstatten zählt nach § 177 II Nr. 5 BRAO zu den gesetzlichen Aufgaben der BRAK. Sie nimmt aufgrund dessen regelmäßig zu verfassungsgerichtlichen Verfahren Stellung. Deren Vorbereitung besorgt der Ausschuss Verfassungsrecht der BRAK. Einen Einblick in dessen Arbeit geben Prof. Dr. Christian Kirchberg und Dr. h.c.Gerhard Strate in BRAK-Magazin 4/2023, 6 sowie Prof. Dr. Christofer Lenz in BRAK-Mitt. 2024, 188.