Massenverfahren

Leitentscheidungen des BGH sollen Massenklagen schneller abwickeln helfen

Massenhafte Verfahren wegen gleichgelagerter Einzelansprüche etwa gegen Automobilhersteller, Banken oder Versicherungen belasten die Zivilgerichte erheblich. Künftig soll der BGH in solchen Fällen mit Leitentscheidungen die relevanten Rechtsfragen klären können. Das sieht ein aktueller Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums vor.

14.06.2023Gesetzgebung

Massenverfahren, bei denen zahlreiche gleichgelagerte Einzelansprüche etwa gegen Versicherungen, Banken oder Autohersteller geltend gemacht werden, belasten die Zivilgerichte erheblich. Dabei stellen sich meist die gleichen entscheidungserheblichen Rechtsfragen. Ohne eine höchstrichterliche Klärung bleiben bei den Instanzgerichten zahlreiche Verfahren zu gleichgelagerten Sachverhalten anhängig. Bislang können zudem höchstrichterliche Entscheidungen durch Rücknahme der Revision aus prozesstaktischen Gründen oder durch Vergleich verhindert werden.

Um diese Belastung zu reduzieren, soll der BGH künftig durch Leitentscheidungen die Instanzgerichte unterstützen können. Das sieht ein Anfang Juni vom Bundesministerium der Justiz vorgelegter Referentenentwurf vor, mit dem beim BGH ein Leitentscheidungsverfahren eingeführt werden soll. Damit soll der BGH über die einer Revision zugrundeliegende Rechtsfrage mittels einer Leitentscheidung in von ihm ausgewählten Fällen auch dann entscheiden können, wenn das Revisionsverfahren ohne eine Entscheidung mit inhaltlicher Begründung endet.

Vorgesehen ist, dass der BGH, wenn in einem Massenverfahren eine Revision eingelegt wurde, dieses Verfahren zum Leitentscheidungsverfahren bestimmen und über die entscheidungserheblichen Rechtsfragen entscheiden kann. Instanzgerichte, bei denen Verfahren zu gleichgelagerten Sachverhalten anhängig sind, sollen mit Zustimmung der Parteien diese Verfahren aussetzen können, bis die Leitentscheidung vorliegt.

Nehmen die Parteien die Revision zurück oder erledigt sich das Revisionsverfahren auf andere Weise, entscheidet der BGH über die Rechtsfrage in Form der Leitentscheidung. Diese hat keine formale Bindungswirkung und keine Auswirkungen auf das zugrundeliegende Revisionsverfahren. Sie dient aber den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur, wie die Rechtsfrage zu entscheiden wäre. Dies soll für Rechtssicherheit bei Betroffenen und Rechtsanwendern sorgen und zugleich die Gerichte von weiteren Klagen zur selben Rechtsfrage entlasten.

Das Ministerium arbeitet derzeit an verschiedenen Maßnahmen, mit denen die Zivilgerichten die Bewältigung von Massenverfahren erleichtert werden sollen. Das geplante Leitentscheidungsverfahren ist eine davon, u.a. im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie werden weitere Überlegungen angestellt. In einer vorbereitenden Stellungnahme hatte die BRAK sich mit derselben Zielrichtung für die Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim BGH mit Aussetzungsmöglichkeit für Folgeverfahren ausgesprochen. Sie befasst sich auch weiterhin intensiv mit der Thematik.

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