Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 15/2023

Israel: Regierung will anwaltliche Selbstverwaltung abschaffen

Gegen den von der israelischen Regierung vorangetriebenen Justizumbau protestieren seit Jahresbeginn hundertausende Menschen. Nun plant die Regierung, die Israel Bar Association und damit die unabhängige anwaltliche Selbstverwaltung aufzulösen. Die BRAK ersucht Buschmann dringend um Intervention.

26.07.2023Newsletter

Seit ihrem Amtsantritt Ende 2022 verfolgt die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu ein Reformvorhaben, das zu einem tiefgreifenden Umbau des Justizsystems in Israel führen soll. Unter anderem soll aufgrund einer sog. „Überstimmungsklausel“ das Parlament Entscheidungen des Supreme Court mit einfacher Mehrheit außer Kraft setzen können. Das Richterwahlverfahren soll danach künftig durch die Regierungskoalition dominiert, die Mitwirkungsrechte der Anwaltschaft bei der Richterwahl gestrichen werden. In der Gesamtschau bedeuten die geplanten Maßnahmen eine massive Gefährdung des bewährten israelischen Systems von Checks and Balances.

Nach landesweiten Protesten und einem Generalstreik im Frühjahr hatte die Regierung den Umbau des Justizsystems vorübergehend ausgesetzt. Anfang Juli soll ein Gesetzentwurf in die Knesset eingebracht worden sein, wonach die Israel Bar Association künftig durch einen vom Justizministerium eingesetzten Anwaltsrat ersetzt werden soll.

Die Israel Bar Association ist unter anderem für die Zulassung zur Anwaltschaft zuständig, die Berufsaufsicht obliegt, ähnlich wie in Deutschland, den regionalen Rechtsanwaltskammern. Mit dem geplanten Gesetz soll diese Selbstverwaltungsstruktur zerschlagen werden. Die Zulassung zur Anwaltschaft läge danach künftig bei dem vom Justizministerium eingesetzten Anwaltsrat.

Aus Sicht der BRAK würde dadurch die Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltsberufes in Israel faktisch abgeschafft und eine Verstaatlichung der Anwaltschaft erzwungen. „Eine freie und vor allem selbstverwaltete Anwaltschaft ist jedoch eine der Grundbedingungen für einen funktionierenden Rechtsstaat. Eine derartige anwaltsfeindliche Entwicklung in einem befreundeten Land geht uns alle an. Schweigend zuzusehen ist hier keine Option!“ sagte BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels.

Die BRAK sah sich angesichts dieser neuen Entwicklung in der Verantwortung, erneut an den Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann heranzutreten. Sie bat mit einem persönlichen Brief erneut um eine Intervention im Interesse der israelischen Anwaltschaft. Bereits im Februar hatte sich die BRAK an den Minister gewandt und ihn gebeten, anlässlich seiner Israelreise auf den israelischen Justizminister und die Regierungsvertreter einzuwirken.

Am 24.7.2023 hat das israelische Parlament mit den Stimmen der Regierungsparteien eines der Kernelemente des Justizumbaus verabschiedet. Das neue Gesetz nimmt dem Supreme Court die Möglichkeit, Entscheidungen der Regierung oder von Ministern als unangemessen zu bewerten. Kritiker fürchten, dass dieser Verlust an gerichtlicher Kontrolle die Korruption sowie die willkürliche Besetzung von Posten begünstigt und sehen das Gesetz als Gefahr für Israels Demokratie. Nach der Verabschiedung des Gesetzes protestierten erneut zehntausende Menschen landesweit.

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Hintergrund:

Als Vertretung der deutschen Anwaltschaft setzt sich die BRAK – auch international – für den Aufbau und den Erhalt von rechtsstaatlichen Strukturen in ihren Partnerländern ein. Mit Israel, der Israel Bar Association und damit der israelischen Anwaltschaft, verbindet die BRAK eine langjährige und besondere Partnerschaft, die durch einen regelmäßigen und intensiven Austausch geprägt ist.

Gemeinsam mit der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung e.V. (DIJV) hat die BRAK den Justizumbau in Israel im Rahmen einer Online-Veranstaltung beleuchtet. Prof. Dr. Yoram Danziger, Rechtsanwalt und ehemaliger Richter des israelischen Supreme Court, erläuterte die Pläne der Regierung und zeigte deren Brisanz und Tragweite auf. Das BRAK-Magazin und die DIJV berichten über die Veranstaltung.

In zwei Podcast-Folgen geben Elmar Esser, 1. Vorsitzender der DIJV, und BRAK-Vizepräsident André Haug Auskunft über die Pläne zum Justizumbau und die aktuellen Entwicklungen.