Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 18/2023

Elektronisches Basisdokument im Zivilprozess: Update zum Reallabor

In einem Forschungsprojekt erproben das bayerische und das niedersächsische Justizministerium seit März das sog. elektronische Basisdokument für Zivilprozesse. Erkenntnisse aus der Anwaltschaft führten bereits zu Verbesserungen und Ergänzungen des Prototypen und sind auch weiterhin gefragt.

06.09.2023Newsletter

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt untersucht die Universität Regensburg mit den Lehrstühlen für Zivilprozessrecht (Prof. Dr. Althammer) und für Medieninformatik (Prof. Dr. Wolff) gemeinsam mit den Justizministerien Bayerns und Niedersachsens, ob und wie der Parteivortrag im Zivilprozess mit digitalen Mitteln besser dargestellt werden kann.

Das Forschungsprojekt „Strukturvorgaben für den Parteivortrag im Zivilprozess“ startete im März 2023. Es erprobt in Form eines Reallabors an den Landgerichten Hannover, Landshut, Osnabrück und Regensburg den Prototyp einer Software, mit der die Parteien – anstatt Schriftsätze auszutauschen – in einem digitalen Basisdokument unabhängig voneinander vortragen können. Der Vortrag ist dabei weder in seiner Struktur vorgegeben noch inhaltlich beschränkt. Es ist aber möglich, direkt auf gegnerisches Vorbringen an passender Stelle zu antworten; ebenso können richterliche Hinweise direkt an der entsprechenden Stelle angebracht werden. Das Basisdokument dient dann dem Gericht, anstelle wie bisher die Schriftsätze, als Entscheidungsgrundlage. Die Erprobung erfolgt im Echtbetrieb und muss deshalb unter Beachtung der Vorgaben für den elektronischen Rechtsverkehr erfolgen.

Ziel des Projekts war von Anfang an, die gerichtliche und auch die anwaltliche Praxis einzubeziehen. Im Rahmen dessen hatten Vertreter des niedersächsischen und des bayerischen Justizministeriums das Forschungsprojekt bei der 164. Hauptversammlung der BRAK am 28.4.2023 in Erfurt im Detail vorgestellt und rege mit den anwesenden Präsidentinnen und Präsidenten der 28 Rechtsanwaltskammern diskutiert. Die BRAK ist auch weiterhin im Austausch mit den Beteiligten.

Die Projektverantwortlichen teilten nunmehr mit, dass die Rückmeldungen aus der Anwaltschaft sowie die Erkenntnisse aus der bisherigen praktischen Erprobung genutzt wurden, um die Anwendung zur Übermittlung des Parteivortrags im Basisdokument zu verbessern und insbesondere für Anwältinnen und Anwälte die Handhabung zu erleichtern. Unter anderem wurden bereits eine reine Einsichtsmöglichkeit für die Mandantschaft, eine Anzeigefunktion für aufeinander bezogenen Vortrag und eine verbesserte PDF-Exportfunktion umgesetzt, die neuen Vortrag und neue richterliche Hinweise voranstellt.

Mit Blick auf eine mögliche Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt und die große Auswirkung auf künftige Zivilprozesse ist es wichtig, die anwaltliche Sicht möglichst breit einzubringen und an der weiteren Erprobung mitzuwirken.

Weiterführende Links:

Hintergrund:

Die BRAK hat sich im Rahmen der Diskussion um eine Digitalisierung der Justiz gegen strukturierten Parteivortrag ausgesprochen, der mit starren Vorgaben die Freiheit von Anwältinnen und Anwälten zu prozesstaktischem Vorgehen einschränkt. Dies wäre unter anderem auch mit Blick auf die Dispositionsmaxime im Zivilprozess problematisch (s. dazu etwa BRAK-Schatzmeister Michael Then, „Mal nachgefragt“ v. 23.8.2022; Positionspapier Digitales Rechstsystem – Stellungnahme 60/2021). Derartige Beschränkungen sieht das oben dargestellte bayerisch-niedersächsische Forschungsprojekt jedoch nicht vor.