Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 18/2023

Videoverhandlungen im Zivilprozess: Bundesrat plädiert für Ermessen des Gerichts

Mit einem aktuellen Gesetzentwurf soll der Einsatz von Videokonferenztechnik in den Zivil- und Fachgerichtsbarkeiten gefördert werden. Der Bundesrat hat dazu Stellung genommen und fordert, Videoverhandlungen in das Ermessen des Gerichts zu stellen. Die Bundesregierung lehnt das ab; die BRAK hatte gefordert, darüber die Parteien entscheiden zu lassen.

06.09.2023Newsletter

Mit dem Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten sollen an diesen Gerichten künftig verstärkt Videoverhandlungen etabliert werden.

Zu dem Anfang Juni vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurf hat sich nunmehr der Bundesrat kritisch geäußert. Er spricht sich unter anderem dafür aus, die Entscheidung über den Einsatz von Videokonferenztechnik allein in das pflichtgemäße – nicht begrenzte – Ermessen des Gerichts zu stellen und auf eine Begründungspflicht für den Fall ablehnender Entscheidungen zu verzichten. Die BRAK hatte sich im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gegen eine derartige Ausgestaltung gewandt. Aus ihrer Sicht muss die Entscheidung, ob Videokonferenztechnik eingesetzt wird oder nicht, in das Ermessen der Parteien gestellt werden.

Die die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, Anträge und Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle per Bild- und Tonübertragung zu ermöglichen, begrüßt der Bundesrat. Er weist darauf hin, dass zudem auch in der der physischen Rechtsantragstelle die Aufnahme formbedürftiger Erklärungen in digitaler Form ermöglicht werden sollte und formuliert insofern eine Prüfbitte. In seiner Stellungnahme äußert der Bundesrat sich ferner zu verschiedenen Aspekten der Erprobung vollvirtueller Verhandlungen.

In ihrer Gegenäußerung lehnt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates, die Entscheidung über den Einsatz von Videokonferenztechnik allein in das pflichtgemäße – nicht begrenzte – Ermessen des Gerichts zu stellen und auf die Begründungspflicht für den Fall ablehnender Entscheidungen zu verzichten, ab. Die vorgeschlagene Regelung bewirkt aus ihrer Sicht einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem von Teilen der Anwaltschaft geforderten Anspruch auf Videoverhandlung und der Ermessensentscheidung des Gerichts.

Den Vorschlag des Bundesrates, auch in der physischen Rechtsantragstelle die Aufnahme formbedürftiger Erklärungen in digitaler Form zu ermöglichen, hat die Bundesregierung geprüft, spricht sich aber gegen seine Berücksichtigung im weiteren Gesetzgebungsverfahren aus.

Dem Vorschlag des Bundesrates, die Ermächtigung zur Erprobung der vollvirtuellen Videoverhandlung auch auf die Urteilsverkündung zu erstrecken, stimmt die Bundesregierung hingegen zu. Den weiteren Vorschlag, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, den Aufenthaltsort der Verfahrensbeteiligten während einer Videokonferenz zu bestimmen, lehnt die Bundesregierung ab. Die vorherige Festlegung eines bestimmten Ortes, an dem sich ein Verfahrensbeteiligter während der Videoverhandlung aufzuhalten hat, nehme der Videoverhandlung die gewünschte Flexibilität.

Die BRAK hat sich bereits zum Referentenentwurf des Gesetzes mit einer Stellungnahme eingebracht und wird auch das weitere Gesetzgebungsverfahren intensiv begleiten.

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