Nachrichten aus Brüssel | Ausgabe 4/2022

Ablehnung der Vollstreckung eines EuHB – EuGH

Der EuGH hat am 22. Februar 2022 in der Rechtssache C-562/21 PPU und C-563/21 PPU Openbaar Ministerie entschieden, dass ein Europäischer Haftbefehl (EuHB) nicht pauschal aufgrund von Rechtsstaatlichkeitsbedenken im Zielstaat abgelehnt werden kann, unter bestimmten Umständen sei eine Überstellung aber nicht möglich. Er erläutert die Kriterien, unter denen dies der Fall sein soll.

04.03.2022Newsletter

Das vorlegende Gericht hatte aufgrund der systemischen Mängel hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit der Justiz, nämlich aufgrund des Ernennungsverfahrens von Richtern, Zweifel gehabt, ob eine Überstellung dorthin das Recht auf ein faires Verfahren des zu Überstellenden gefährden würde. Der EuGH entschied nun, dass bei Vorliegen systemischer Mängel die Überstellung verweigert werden darf, wenn es aufgrund der besonderen Umstände des Falles ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass das Grundrecht der betroffenen Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht verletzt wurde oder im Fall der Übergabe verletzt zu werden droht.

In einem ersten Prüfungsschritt muss eine Gesamtwürdigung auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben über das Funktionieren des Justizsystems im Ausstellungsmitgliedstaat, insbesondere über den allgemeinen Rahmen für die Ernennung von Richtern in diesem Mitgliedstaat vorgenommen werden.

In einem zweiten Prüfungsschritt muss die Person, gegen die ein EuHB ergangen ist, konkrete Anhaltspunkte dafür vorbringen, dass sich die systemischen oder allgemeinen Mängel des Justizsystems konkret auf die Behandlung ihrer Strafsache ausgewirkt haben bzw. dass sie sich im Fall einer Übergabe konkret auswirken können.

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