beA auch bei Eigenklage

Betagter Anwalt klagt in eigener Sache: Trotzdem beA-Pflicht

Auch in eigener Sache ist ein Rechtsanwalt zur Nutzung des beA verpflichtet – so ein Finanzgericht – selbst wenn er nicht als solcher auftritt.

15.10.2025Rechtsprechung

Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass ein nur noch in geringem Umfang beratend tätiger 71-jähriger Rechtsanwalt auch bei einer Klage in eigener Sache zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) verpflichtet ist – unabhängig davon, ob er in der Sache als Anwalt auftritt oder nicht. Weder Alter noch reduzierte anwaltliche Tätigkeit rechtfertigten eine Ausnahme (Gerichtsbescheid v. 16.09.2025, Az. 3 K 3179/24).

Technikpflicht trotz Ruhestand

Ein zugelassener Rechtsanwalt, der seine anwaltliche Tätigkeit weitgehend eingestellt hat, wandte sich im November 2024 gegen mehrere Grundsteuerwertbescheide zu seinen Eigentumswohnungen. Die Klage reichte er per Post beim FG Berlin-Brandenburg ein, ohne dabei auf seine Zulassung als Rechtsanwalt hinzuweisen. Sein Status wurde erst im Verlauf des Verfahrens (nach Ablauf der Klagefrist) durch das Gericht über die Adressierung der Bescheide und die Einsicht ins Anwaltsverzeichnis festgestellt. Erst dann wurde er auf die Möglichkeit der Unzulässigkeit seiner Klage hingewiesen.

Der Betroffene vertrat jedoch die Auffassung, dass er im vorliegenden Fall nicht der beA-Nutzungspflicht unterlegen habe. Er handele als Privatperson, führe keine Gerichtsverfahren mehr und habe sich mit dem beA bisher nicht befasst. Er fühle sich mit dem beA überfordert. Der BGH weise außerdem darauf hin, dass die beA-Nutzungspflicht für Anwältinnen und Anwälte darauf basiere, dass diese in ihrem Alltag ständig mit Gerichten kommunizierten. Diese Art der Kommunikation gehöre aber gerade nicht zu seinem beruflichen Alltag, weil er nur noch beratend tätig sei. Daher sei ihm die elektronische Einreichung nach § 52d FGO unzumutbar und nicht verpflichtend.

In einem späteren Schriftsatz ließ der Betroffene durch seinen Sohn als neuen Verfahrensbevollmächtigten die bisherigen Schriftsätze per Fax nachreichen. Vorsorglich wurde zudem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, mit Verweis auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum.

Das FG wies die Klage dennoch als unzulässig ab. Der entscheidende Schriftsatz sei nicht fristgerecht auf elektronischem Weg eingereicht worden. Eine Wiedereinsetzung sei nicht geboten, da dem Rechtsanwalt die Pflicht zur elektronischen Übermittlung bzw. die diesbezügliche Rechtsprechung auch des FG Berlin-Brandenburg bereits vor Klageerhebung hätte bekannt gewesen sein müssen.

Status- vs. Rollenverständnis in Literatur und Rechtsprechung

Die zentrale juristische Frage betraf die Auslegung von § 52d Satz 1 FGO: Gilt die Pflicht zur elektronischen Übermittlung bei Klageerhebung durch einen Rechtsanwalt in eigener Sache auch dann, wenn dieser nicht explizit als Anwalt auftritt?

Der BFH habe sich zu dieser Frage noch nicht positioniert. Eine Entscheidung für eine beA-Nutzungspflicht gebe es nur für die Konstellation, in der ein Anwalt sowohl in seiner Funktion als auch zugleich in eigener Sache tätig geworden sei (Beschl. v. 23.08.2022, Az. VIII S 3/22). In einem anderen Fall habe der BFH nur entschieden, dass ein Steuerberater – gerade weil er gegenüber dem Gericht auch unter dieser der Berufsbezeichnung auftrat – zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs verpflichtet sei (Beschl. v. 02.02.2024, Az. VI S 23/23).

Der 3. Senat des FG Berlin-Brandenburg positionierte sich nun aber klar für ein statusbezogenes Verständnis der Norm: Ein Rechtsanwalt sei unabhängig vom konkreten Auftreten stets verpflichtet, das beA zu nutzen. Dies gelte auch, wenn keine anwaltliche Vertretung vorliege, sondern der Betroffene als natürliche Person selbst Klage erhebe. Der Zweck des § 52d FGO – die Etablierung eines durchgängigen elektronischen Rechtsverkehrs – verlange eine möglichst umfassende Nutzung durch alle professionellen Verfahrensbeteiligten. In der Literatur überwiege ebenfalls diese Auffassung, auch das FG Düsseldorf vertrete diese Auffassung (Beschl. v. 09.01.2023, Az. 4 V 1553/22 A(Erb)).

Der BGH habe sich zur parallelen Vorschrift des § 130d ZPO ebenfalls mehrfach deutlich geäußert: Ein Rechtsanwalt sei selbst bei eigenem Handeln zur Nutzung des beA verpflichtet, sofern ein Schriftsatz formgebunden bei Gericht eingereicht wird (Beschl. v. 04.04.2024, Az. I ZB 64/23; Beschl. v. 27.03.2025, Az. V ZB 27/24). Maßgeblich sei allein der berufsrechtliche Status, nicht die konkrete Rolle im Verfahren. Der Gesetzeszweck – die Vermeidung von Medienbrüchen, ein effizienter elektronischer Rechtsverkehr und die Entlastung der Justiz – erfordere eine solche Auslegung. Bislang hat der aber nur im Hinblick auf die Einlegung von Rechtsmitteln entschieden, worauf der klagende Anwalt in diesem Fall auch hinweist.

Demgegenüber vertrat das Hessische FG eine rollenbezogene Auslegung (Urt. v. 10.10.2024, Az. 10 K 1032/23). Die Nutzungspflicht solle nur dann greifen, wenn der Betreffende auch in der Rolle des Anwalts auftrete. Andernfalls müssten die Gerichte stets prüfen, ob ein Selbstvertretender möglicherweise (noch) zugelassener Rechtsanwalt sei – was nicht praktikabel sei und die mit der Einführung des beA beabsichtigte Verfahrensvereinfachung konterkariere.

Keine Ausnahmen für Technikferne oder wegen des Alters

Das FG Berlin-Brandenburg hatte in einem früheren Fall zwar gegenteilig entschieden und einem Anwalt erlaubt, eine Klage nicht per beA einzureichen (Urt. v. 11.06.2025, Az. 3 K 3005/23). Dies beruhte jedoch auf einer Ausnahme, die auf den hiesigen Fall nicht übertragbar sei: Der Kanzleipartner hätte andernfalls interne Kanzleiinformationen gegenüber beA-berechtigten Mitarbeitern offenlegen müssen, was mit vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtungen unvereinbar gewesen wäre.

Im nun entschiedenen Fall habe jedoch keine vergleichbare Unzumutbarkeit vorgelegen. Weder das hohe Alter noch eine eingeschränkte Berufsausübung rechtfertigten ein Absehen von der beA-Pflicht. Es bestehe – so der Senat – eine berufsrechtliche Verpflichtung aller in Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die technische Infrastruktur zur Nutzung des beA vorzuhalten und sich mit deren Bedienung vertraut zu machen (§ 31a Abs. 6 BRAO).

Auch eine Wiedereinsetzung lehnte das Gericht ab. Der geltend gemachte Rechtsirrtum sei nicht unverschuldet. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im November 2024 hätten bereits mehrere gerichtliche Entscheidungen sowie Stimmen in der Fachliteratur vorgelegen, die von einer statusbezogenen Auslegung des § 52d FGO ausgingen. Schon in einem Beschluss vom 08.03.2022 (Az. 8 V 8020/22) hat das FG Berlin-Brandenburg selbst diese Auffassung vertreten. Damit habe ein im Berufsrecht erfahrener Beteiligter die bestehende Pflicht erkennen können und müssen.

Ein weiterer Hinweis des Gerichts auf die beA-Nutzungspflicht innerhalb der Klagefrist sei nicht geboten gewesen. Der anwaltliche Status sei dem Gericht erst mit verspätet eingereichten Anlagen erkennbar geworden, sodass keine frühere Belehrungspflicht bestanden habe.

Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, da die Frage der beA-Nutzungspflicht von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in eigener Sache grundsätzliche Bedeutung besitze und eine höchstrichterliche Klärung bislang ausstehe.

Weiterführende Links: 

beA-Pflicht: Ein Anwalt im Ruhestand braucht das beA, Artikel v. 03.04.2025

beA & ERV, Nutzungspflicht