Steuergestaltungen: geplante Meldepflicht verletzt anwaltliche Verschwiegenheit
Neben den beabsichtigten Investitionsimpulsen soll das geplante Wachstumschancengesetz vor allem eine Meldepflicht für so genannte Steuergestaltungen einführen. Die BRAK kritisiert das Vorhaben scharf, weil es Anwältinnen und Anwälte zwingen würde, ihre Verschwiegenheitspflicht zu verletzen und sich damit Regressforderungen und strafrechtlichen Sanktionen auszusetzen.
Zielgerichtete Maßnahmen zur Verbesserung der Liquiditätssituation von Unternehmen und Investitionsimpulse für Unternehmen will das Bundesministerium der Finanzen mit seinem Mitte Juli vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachtstumschancengesetz) schaffen. Zugleich sollen Steuern vereinfacht und die Steuerfairness gestärkt werden.
Doch der Gesetzentwurf enthält auf den zweiten Blick einen Pflichtenkatalog für Beraterinnen und Berater sowie Steuerpflichtige, insbesondere schafft er Mitteilungspflichten bei nationalen Steuergestaltungen. Die BRAK übt scharfe Kritik an dem Entwurf, nicht nur wegen der äußerst kurzen Stellungnahmefrist, die ihr vom Ministerium eingeräumt wurde, und wegen des irreführenden Titels, der Begünstigungen für die Steuerpflichtigen verspricht, überwiegend aber schwerwiegende Verpflichtungen für sie sowie ihre Beraterinnen und Berater einführt.
Kategorisch lehnt die BRAK die geplante Erweiterung von Meldepflichten auf innerstaatliche Steuergestaltungen (§§ 138l ff. AO-E) ab. Darin sieht sie eine nicht verhältnismäßige, nicht hinreichend evaluierte und rechtsstaatsgefährdende Verletzung des Verschwiegenheitsprivilegs rechts- und steuerberatender Berufe, die in keinerlei akzeptablem Kosten-Nutzen-Verhältnis steht. Die BRAK wehrt sich weiterhin gegen den Generalverdacht gegenüber Anwältinnen und Anwälten, sich trotz legaler (Steuer-)Beratung an illegalen Aktivitäten ihrer Mandantschaft zu beteiligen; hierzu zählt auch die degradierende Bezeichnung als „professional enabler“.
Es gehört zu den Aufgaben von Anwältinnen und Anwälten, für ihre Mandantinnen und Mandanten die Rechtslage zu prüfen und dann umzusetzen, was aufgrund dieser Rechtslage legal möglich ist; anderenfalls würden sie sich Regressansprüchen ihrer Mandantschaft aussetzen. Durch die Einführung der Meldepflicht müssten Anwältinnen und Anwälte also das melden, was ihre ureigenste Aufgabe ist, und zudem ihre – strafrechtlich sanktionierte – Verschwiegenheitspflicht verletzen. BRAK-Vizepräsidentin Ulrike Paul findet dafür klare Worte: „Aus rein fiskalischen Interessen soll die Anwaltschaft zum Volksverpetzer gemacht und eine tragende Säule unseres Rechtsstaats abgesägt werden.“ Sie befürchtet einen massiven Vertrauensschaden für Rechtsuchende. Besonders prekär ist, dass der Gesetzentwurf außerhalb der EU ansässige Beraterinnen und Berater nicht erfasst – und damit letztlich nur dem außereuropäischen Beratungsmarkt Wachstumschancen verschafft.
Auch die geplante Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 1a KStG, der es bislang bestimmten Personengesellschaften ermöglicht, sich steuerlich wie eine Kapitalgesellschaft behandeln zu lassen, kritisiert die BRAK. Die Optionsmöglichkeit sei ein Fallstrick für Gesellschaften wie auch Beraterinnen und Berater und sei wegen der hohen Haftungsrisiken in der Praxis kaum relevant. Eine Ausweitung der Optionsmöglichkeit auf sämtliche Personengesellschaften verfolgt aus Sicht der BRAK eher einen Rechtfertigungszweck.
Die BRAK kritisiert ferner die in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen zur elektronischen Rechnung. Zwingender Bestandteil einer Rechnung sind unter anderem die Angabe des Leistungsempfängers, also der Mandantin bzw. des Mandanten – sowie Angaben zur Leistung selbst. Beides unterfällt der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht von Anwältinnen und Anwälten.
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